Island

Ich möchte noch einmal den Zauber erwecken, unter dessen Einfluß wir Island erlebten.
Island eine unendliche Weite aus Stein, Vulkanasche und Geysiren, niederen Flechten, Eis und Wasser, blühenden Frühlingsblüten, satten Weiden und einer nicht untergehenwollenden Sonne, so erlebten wir dieses nicht leicht zu erschließende Land. Vogelstimmen weckten den neuen Tag, der sich uns immer als ein strahlend heller Sonnentag zeigte und uns seine volle Schönheit genießen ließ. Bergansteigend entdeckten wir auch später die gut getarnten fröhlichen Sänger. Auf den mühsam erklommenen Vulkangipfeln eröffnete sich uns immer wieder eine neue riesige Landschaft bestehend aus anderen Vulkanen, Pseudokratern, Gletschern und Schneegipfeln. Und alles immer zum Greifen nahe trotz der Entfernung, die sich nur ahnen ließ.
Auf dem kargen Geröll klammerten sich die Pflänzchen fest. Ungeschützt der Sonne, dem Wind und dem Regen ausgeliefert können sie sich hinter keinem Baum verstecken und sich unter keinem Busch verkuscheln.

In den Felswänden finden dann die Sturmmöven, Mantelmöven und Seeschwalben gute Plätze, um ihre Brut aufzuziehen. Der Sturm, den wir nur in starken Boen erlebten, gemischt mit Regen, peitschte die See auf. Die riesigen Wellen brechen sich an den steilen uferlosen Felsvorsprüngen und die Wasservögel gaukeln im Wind, lassen sich tragen und treiben und fallen dann kreischend in irgendeine Spalte ab, um in kürzester Zeit wieder ihr Spiel von neuem zu beginnen.Wenn unsere Blicke sie dann in die Höhen verfolgten, trafen irgendwo dort oben mit einem grade aufsteigenden oder landenden Flugzeug zusammen. Auch sie werden zu Meistern der Lüfte auf den kleinen Start- und Landebahnen dieses Landes.
Dann wieder ein riskanter Abstieg zwischen Geröll und Asche und wir stehen vor einer der vielen klaren Quellen, erfrischenden Bächen und schauen in ihr Fließen, das irgendwo, irgendwann von einem breiteren Flüßchen aufgenommen wird um in einem noch stärkeren Fluß bis ins Meer geführt zu werden.
Ein ewiger Kreislauf!
Die innere Erde brodelt und macht sich nach draußen hin Platz und die Ergebnisse riechen nach Schwefel oder sehen aus, als würden die Perser umgezogen sein, um hier in den heißen Quellen ihre neue Indigofarbe aufzubereiten. Es blubbert und gluckst, es dampft und springt, eine immer wiederkehrende Bewegung und nicht enden wollendes Schauspiel der Natur. Welche Kräfte! ?
Die guten werden genutzt und versorgen uns mit warmen Wasser und Energie. Die schlechten verbrennen die Erde, die Bäume, den restlichen kargen Pflanzenwuchs und schütten viele menschliche Behausungen mit heißer dickflüssiger Lava und schwarzer Asche zu.
Mengen dieser Ausbrüche, soweit das Auge reicht mischen sich mit Schnee, Wasser und Eis und werden zu faszinierenden Farbspielen. Wasserfälle brechen herunter und ergießen sich in Ströme, die sich durch enge Gesteinspalten zwängen, um nach längerer tosender Wucht, ruhig und gemächlich breite Wiesen zu erfrischen. Irgendwo von den Granitmassiven schauen neugierig ein paar Schafe herunter. Sie sind fast überall, beleben die spitzen kantigen Berggipfel, die grasigen Hügel und die fetten Weiden, um dann mit den Fischen an den Wasserschnellen um die Wette zu springen. An den Flußufern geht es dann sehr lebhaft zu. Mensch und Tier aus einem Fluß, alles im Gleichklang der Gezeiten.
Plötzlich ein schnelles, aber nicht lautes Getrappel - - - - die Pferde - - - klein aber kräftig ziehen an uns vorbei, bis sie hinter der Lagune am Horizont verschwinden .
Nun hängt der Blick am blaugrünen zerklüfteten Eis. In bizarren Formen schwimmt es auf dem breiten Gletscherstrom dem Ozean entgegen und wir sehen zu, wie es so langsam in der Sonne glitzernd sich leicht bewegt und letztendlich zu Wasser zergeht. Alles zum Berühren nahe, aber kalt.
In der Bucht, etwas draußen, beobachteten wir Seehunde mit ihren Jungen. Ihr Heulen hören wir bis zu uns. Der Wind trägt alles herüber. Ein Fernrohr bringt sie uns näher und die Seehundgruppe bemerkt nicht, wie wir, wenn auch nur für kurze Zeit, an ihrem Familientreiben teilhaben. Dann versinkt alles wieder in dem Gekreische der Austernfischer, die sich mutig auf uns stürzen, als wir uns versehentlich ihren Gelegen näherten.

Als wir in der kleinen Grassodenkirche saßen, empfand ich plötzlich Musik. Es waren die Anfangsklänge der "Toccata und Fuge" von Bach, unter deren wirklichen Klangwucht sie wohl zusammengebrochen wäre. In der Phantasie ist eben alles möglich. So entstehen auch in den rauhen schneereichen Winternächten und düsteren sonnenarmen Tagen die Märchen von den Elfen und Feen, deren Steinbergkirchen wir auch fanden. Die Mystik ist allenthalben gegenwärtig und äußerst reizvoll. Dazu die Sagas als Ergänzung, die auf den wenigen, sehr weit auseinanderliegenden Höfen entstanden sind. Trotz ständig drohender Gefahren drücken sich die Häuser und Stallungen an die Steilwände und ihre bunten Dächer leuchten weithin wie Signale. Auf diesen fernab liegenden Anwesen geht es in den vielen Wintermonaten sehr einsam zu. Seit der Landnahme fühlen sich alle Isländer miteinander verwandt und gehen deshalb sehr behutsam und verständnisvoll miteinander um. Sorgen sich um diejenigen, denen in solchen kargen Zeiten die Nerven durchgegangen sind. Die Menschen, die hier leben, lieben und arbeiten sind unkomplizierte, sehr stolze und recht freie Persönlichkeiten, die keine zerstörerischen Gedanken hegen. Von der Willenskraft und Beharrlichkeit dieser Menschen konnten wir uns überzeugen. Nur einer einzigen Frau, ihrer Heimatliebe und ihrer großen Ehrfurcht vor der Natur ist es zu danken, daß wir den wasserreichsten, kräftigsten und schönsten Wasserfall Islands noch erleben können.
Bis die Seele nach solchen Erlebnissen wieder zu Hause ist, dauert es schon ein Weilchen.

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