Die kleinen Geschehnisse mit den großen Folgen

Erstaunen

Es war wieder mal soweit. Alles im Kindergarten drehte sich nur noch um das bevorstehende Faschingsfest mit unsern Kindern. Der Morgen begann wie immer an solchen Tagen etwas turbulenter als sonst. Ich hatte mich in einen Smoking gesteckt und einen alten Zylinder aufgesetzt. Alles paßte prächtig zu meinem weißen Haar. Die Zirkusdirektorin war geboren und gab nun die Manege frei für alle wilden und sanften Tiere, Blumen und Märchenfiguren. Die Kinder aus den Häusern I und II waren auch schon da und das große Spiel begann und nahm ohne große Vorfälle seinen Lauf.
Am sehr frühen Nachmittag kamen schon einige Mütter etwas früher, um ihre Kinder bei dem lustigen Treiben beobachten zu können und mischten sich tanzend, singend und mitspielend unter das wirbelnde Narrenvölkchen.
Nur langsam lichteten sich die Reihen. Mehrmals wurde auch Berndchen von seiner Mutter gefragt, ob er nicht vielleicht auch nach Hause wolle. Oh nein, er bleibt noch bei seiner Frau Buchwald, weil ich ja so selten mal hier bin im großen Haus und sie gefällt mir so. Die letzte Aufforderung seiner Mutter gab uns beiden einen mächtigen Ruck. Er sagt laut und schon etwas gereizt: Nee Mutti, ich hab dich erst wieder lieb, wenn du auch so schöne silberne Haare hast wie meine Frau Buchwald. Betretenes Schweigen der Mutter, die sehr jung war und ihre wunderschönen blonden Haare zu einem dicken schweren Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Ich warf ein: Dann mußt du aber mindestens noch 30 Jahre warten. Gut sagte er und die warte ich bei dir, denn ich komme ab jetzt mit zu dir zum Schlafen.
Die Erschütterung der Mutter schlug in Werbung um. Nichts half. Berndchen setzte allem Zureden einen nicht endenwollenden Redeschwall entgegen. Alles gipfelte in einem noch nie bei ihm erlebten Weinkrampf. Er bebte und war für kein Wort mehr zugänglich. Ich nahm nun beide mit mir nach Hause. In der Zwischenzeit beruhigten sich beide etwas. Nachdem wir drei Treppen hoch gestiegen sind und er in meine Wohnungstüre drängte, als hätte er Bedenken, vielleicht auch noch ausgesperrt zu werden, zeigte ich ihm, daß hier gar kein Spielzeug für ihn ist.
Es ist nicht so schön wie bei dir zu Hause, denn ich habe ja auch nicht deine Kuscheltiere und Lieblingsbücher hier und auch kein Bett. Pause. Er schaut mich an und meint dann, das könnte mir mein Papa herbringen. Das gefällt mir aber nicht, sagte ich dann zu ihm. Er schaute verständnislos in die Runde. Genau in diesem Moment kam mein Mann zur Wohnungstür herein und begrüßte uns alle ganz überschwenglich. In Unkenntnis der Situation verkündete er voll Freude, daß er im Betriebsferienheim einen Schneewinterferienplatz für uns beide bekommen hat. Er war ganz aus dem Häuschen und setzte noch hinzu: Endlich mal nur was für uns beide ohne unsere Kinder, ist das nicht prima? Berndchen, der gerade dabei war uns zu vereinnahmen, schaute sehr verdutzt und betroffen von einem zu andern. Dann preßte er heraus: Wirklich nur für Euch. Ja natürlich meinte mein Mann. Ja und wo soll ich bleiben und schlafen? Na ich denke mal, wie immer zu Hause. Ja natürlich schaltete sich seine Mutter sofort ein. Damit zog sich mein Mann erst einmal zurück und verschwand in der Badestube.
Siehst du Berndchen, es geht wirklich nicht. Er ging nun durch die Stuben sah sich um und war sicherlich auf der Suche nach etwas heimischen, was er natürlich nicht finden konnte. Wir beiden Frauen standen auf dem langen Korridor und atmeten erst mal ruhig durch. Bis ich lauthals los lachte und fragte: Und wer von uns beiden läßt sich jetzt die Haare färben? Wir kamen aus dem Lachen nicht mehr heraus, malten uns aus, wie jede von uns wohl aussehen würde. In dieser Stimmung gingen wir in die Küche, brühten uns einen schönen Tee auf und waren wild entschlossen, die Situation zu meistern. Von unserer Heiterkeit angelockt kuschelte sich der kleine völlig übermüdete Bursche an seine Mutti und war sich seiner Liebe und Zuneigung zu seiner blonden jungen fröhlichen Mutti sehr sicher. Er schlief natürlich zu Hause.

Die Macht der Gewohnheit.

Wir kamen von einem sehr ausgiebigen erlebnisreichen Spaziergang zurück. Auf unseren weiten Beobachtungsgängen finden wir immer sehr viel Neues. Heute waren wir nun endlich an dem Platz, den wir uns schon im Sommer ausgesucht hatten. Es war wohl die größte Brombeerhecke, die sich auf dem ehemaligen Grenzstreifen befand und wir ernteten heute. Wir waren so vollgenascht, daß wir kaum noch Hunger auf Mittagessen hatten. Aber zum Tanzen war uns immer zumute und so stimmte Ulrike ein Liedchen an, das uns sofort in die Beine ging und wir hüpften nach dem Text: Ging ein Weiblein Brombeern pflücken, Brombeern pflücken, rums auf den Grasstoppeln herum und waren überglücklich, aber auch richtig schön müde.
Es ist alles ganz ruhig wir bereiten uns auf den erquickenden Mittagsschlaf vor. Im Nu schliefen sie ein. Nur Marco liegt auf dem Rücken und schaut mich fest an. Er hält krampfhaft die Augen auf. Ich gehe an seine Liege und kuschle ein bißchen mit ihm und frage, will denn der Schlaf heute gar nicht zu dir kommen? Doch, doch du hast nur heute noch nicht "nun macht die Augen zu" geflüstert. In sein Ohr fielen nun die erlösenden Worte wie "Traumtropfen" und weg war er.

zurück top