Der Tanz

Dieser Nachmittag sollte eine sehr eigenwillige Bewegungstherapie
werden.


Der Frühling setzte sich immer mehr durch. Das Pfingstfest führte uns in lustiger Wanderung durch den anschließenden Grenzbereich ins gemütliche Tschechien. Der Kuchen in der kleinen Wirtschaft schmeckte nach mehr und die Männer naschten etwas öfter am Bier. Die Tage und Abende wurden immer wärmer und heller. An so einen Abend lud uns die Kurhausleitung zu einem Terrassenfest mit richtiger böhmischer Blasmusik ein. Sechs muntere Musikanten brachten mit ihrer Musik die alten Knochen wieder in Schwung.
Natürlich konnten wir nicht nur zuhören. Wir gaben unserer Freude in schwungvollen Tänzen Ausdruck. Auffällig war ein älteres Ehepaar. Sie immer an den Rollstuhl gefesselt, umsorgte sie ihr liebenswürdiger Mann. Auch an ihnen tanzten wir vorbei und ich fing ihre Blicke auf, die wie Zündstoff bei mir einschlugen. Ich gab meinen Mann einen Wink und schon waren wir am Rollstuhl. Öftere Reportagen im Fernsehen zeigten mir, wie auch Menschen im Rollstuhl tanzen können. Daran dachte ich in diesem Moment, sie einfach in ihrem Stuhl zu bewegen und sie zwischen uns herumzuschwingen. Reine Fehlvorstellung. Als wir uns ihr näherten, begann ein Sekundenprozeß. Sie mobilisierte alle ihre Kräfte, ihren Mut und streckte uns ihre Arme entgegen.
Wir ergriffen sie an den Unterarmen, um mehr Kraft und Sicherheit zu geben und zu haben. Sie zog sich an uns hoch stand und strahlte. Wir schlossen den Kreis und bewegten uns im Rhythmus der Musik. Normalerweise war die Polka zu Ende, aber sie spielten für uns weiter. Alle schauten uns zu, klatschten vor Begeisterung und machten daher noch mehr Mut.
Es war der Durchbruch für die ehemalige Sportlehrerin, die nun schon lange im Rollstuhl war und auf Kurerfolg hoffte. An den folgenden Tagen konnten wir beobachten, wie sie mit Hilfe ihres Mannes immer öfter sich gut festhaltend ihrem Rollstuhl langsam gehend folgte. Wir freuten uns immer wieder über ihre
Fortschritte und kamen noch oft ins Gespräch.
Von anderen Patienten nach der Verantwortung befragt, die wir in diesem Augenblick beide übernommen hätten konnten wir nur sagen, es war der richtige Zeitpunkt und daß wir ganz spontan gehandelt hätten.
Wäre es nicht öfter im Leben so, daß langes Nachdenken nur etwas für Zögerliche ist, wer wagt, gewinnt, und sie hat gewonnen. Wir haben nur ihr Angebot angenommen und es mit ihr umgesetzt.
Nach dieser gelungenen Aktion hatten wir auch bei der Ärzteschaft einen Sonderstatus. Es fehlte nur noch das Angebot, als Animateure dazubleiben.
Naja Spaß muß sein.

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