Das Geschenk

Wir sind wieder mal im Umkleideraum der Schwimmhalle und machen uns fertig für unsere nächste Therapie. Ich bemerke, daß eine Mitpatientin noch ihre Uhr am Handgelenk hat und in ein paar Minuten würden wir ins Bad steigen. Sie bedankte sich für den Hinweis und meinte, es wäre mindestens die zehnte oder zwölfte Uhr geworden wäre, die zum Teufel ist. Sie wäre ein Uhrenkiller, aber an Ihre erste Uhr könnte sie sich noch sehr gut erinnern.
Sie erzählte:


Ich war ungefähr zwölf Jahre und mein viel älterer Bruder war schon lange aus dem Hause. Wenn er dann mal Besuch bei uns machte, brachte er öfter etwas schönes brauchbares mit. Diesmal war alles anders. Er klagte, wegen einer unnötigen Geldausgabe überhaupt keine Liebesgaben mitgebracht zu haben. Seine schöne Fliegeruhr, die mit allen Schikanen Versehene irgendwann in einem Waschraum liegengelassen zu haben. Ich bedauerte ihn sehr, denn seine Uhr war wirklich etwas ganz tolles. Er meinte, in diesen Zeiten gäbe es ja nur ein ganz schmales Angebot und er konnte nur so eine kleine Uhr kaufen. Er zeigte sie mir. Sie sah auf seinem starken Männerarm wirklich verloren aus. Ich schaute sie längere Zeit an und stellte fest, es mußte wirklich eine Damenuhr sein und fing an, den großen klugen pflichtbewußten Bruder zu hänseln, wie es kleine Mädchen so tun. Er nahm sie ab und meinte, den Spott habe er nicht verdient und ich soll sie mal anziehen auf meine dünne Spinnenarme, dann hätte er was zu lachen.
Er band sie mir um und ich schaute nicht schlecht, als er seine aus der Hosentasche holte, sie anlegte und sagte: Ja, meine kleine Schwester, so schenken große Brüder. -
Wir hatten uns richtig festgequasselt, als uns der Ruf aufscheuchte - Das Schwimmbad ist frei, die Gruppe B kann jetzt rein -
Ich konnte ihr nur noch versprechen, daß ich ihr meine Uhrenstory nach der Therapie bei einer Tasse Kaffee erzählen werde.

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